Blut

10.10.2023

Heute wollte ich endlich Blut spenden gehen. Dafür habe ich drei Tage auf jeden Alkohol verzichtet. Eigentlich, sagt das Internet, werden Ausländer zum Blutspenden nicht zugelassen. Aber der Bruder von Niko, der Arzt, meinte, sich solle es probieren, immerhin habe ich ja meinen schönen DRK-Blutspendeausweis mit, auf dem meine Blutgruppe verzeichnet ist.

Ich fuhr als erstes zu einer Art Blutspendezentrale, sagte jedenfalls Google-Maps. Am Eingang stand ein alter Mann, der dort den Einlass kontrollierte. Er war auf einem Auge blind vom grauen Star, roch ein wenig nach Wodka und sprach nicht gerade klar verstänlich, weil ihm offenbar einige Zähne fehlten. Ich hatte meinen Spruch mit Google-Translator vorbereitet: „Ich komme aus Deutschland und will gern Blut spenden.“ Mein Telefon las ihm das auf ukrainisch vor, denn die kleine Schrift auf dem Display konnte er nicht lesen.

Er erklärte, dass das hier nicht ginge. Dann nahm er mich am Arm, führte mich ums Gebäude herum zu einer Tür, klopfte und heraus trat ein Uniformierter, der englisch sprach. Mir wurde erklärt, dass ich eine Station weiter fahren muss mit der Metro und von dort zur Berlynski Straße gehen soll. Der Alte brachte mich noch zur nächsten Straßenkreuzung. Während wir gingen, lobte er die Hilfsbereitschaft der Deutschen „So ein wunderbares Volk!“. Auf Russisch konnten wir uns verständigen. Dann haben wir uns zu Abschied umarmt und ich fuhr zur neuen Adresse.

Metrostation in der Nähe des Blutspendezentrums

Diesmal war ich richtig, wenn ich auch den Eingang des Gebäudes nicht gleich fand. Eine richtige kleine Fabrik, in der eine große Zahl von Spendern und Spenderinnen routiniert abgefertigt werden kann. Aber schon unten am Eingang wurde meine Zuversicht getrübt. „Eigentlich nicht, aber gehen Sie mal hoch zur Registrierung.“

Nach kurzer Wartezeit trat ich an einen Schalter, legte erwartungsvoll Pass, Impfausweis und Spenderausweis vor, erklärte, dass ich clean und gesund bin, drei Tage ohne Alkohol usw…. Aber nichts half. Keine Ausnahme. „Das Gesetz regelt es so.“ war die resolute Antwort, freundlich und mit großem Dank, dass ich mich auf den Weg gemacht habe. Wir haben uns alles Gute gewünscht, ich zog von dannen.

Dann mit Norman im Studio. Wir tüfteln am Projekt, und ich habe mal überschlagen, dass wir dafür ungefähr 350 kg an Material bewegen müssen. Es bleibt spannend.

Auf dem Heimweg in „unserem“ Café, in dem wir jetzt schon zum dritten Mal eingekehrt sind, gab es noch eine interessante Begegnung mit einem Mädchen in Uniform. Sie übersetzte, weil die junge Frau hinterm Tresen so gut wie kein Englisch spricht. Ich habe ihr zum Dank eine kleine Tafel Schokolade gekauft. „Ich will mal ein wenig die Ukrainische Armee unterstützen!“ Das hat sie erst gar nicht verstanden, dann haben wir gelacht. Sie studiert an einer Hochschule, um Militärpolizistin zu werden. Sie fragte mich, ob ich Schauspieler sei (ich trug meine schwarz-weiße Winterjacke, wer weiß, heute früh in der Kaufhalle meinte ein älterer freundlicher Herr, ich würde aussehen wie John Lennon). Ich gab ihr meine Visitenkarte, und das war der Beginn eines Gesprächs. Sie ist gerade 19 und darf deswegen noch nicht zur Armee, das geht erst mit 20. Aber nach dem Studium wird sie 5 Jahre dienen, weil die Armee jetzt das Studium bezahlt. Ich war jedenfalls überrascht, dass sie sich in diesem Alter, jünger als mein jüngster Sohn, für den Militärdienst entschieden hat. Wir haben sie eingeladen, uns am Samstag im Atelier zu besuchen, wenn bei uns im Institut „open studio day“ ist. Und nach wenigen Minuten gab es noch zwei andere Leute, die sich dafür interessierten.

Wie schön, dass in dieser unangenehmen Zeit Kunst doch ein wenig Gewicht hat.

Auf dem Heimweg