Gips
11.10.2023
Gestern war ein spannender Tag, denn wir haben (beide erstmals in unserem Leben) mit Gips eine Abformung realisiert.
Zunächst fuhren wir auf den Baumarkt. Nick, unser dritter Mitbewohner, Künstler aus Wiepersdorf, hat uns dankenswerter Weise kutschiert, denn er ist mit dem Auto hier. Wir brauchten 30 kg Gips, Holz für die Abdruckformen, Trennmittel, ein wenig Werkzeug.

Vor dem Eingang des Baumarkts gab es eine kleine Werkbank, an der man selbst Zuschnitte vornehmen kann und wo auch ein kleiner Fuchsschwanz an einer Schnur benutzt werden konnte. Dort haben wir zwei flache Kästen gebaut, an denen umlaufend eine Türdichtung aus Gummi befestigt war. Die Fugen habe wir mit Silikon abgedichtet.
Dann sind wir zu einer Metrostation gefahren, an der wir die interessanten Logos mit dem „M“ gesehen hatten. Zunächst wollten wir ein einfaches Relief der Betonmauer abformen.

Das haben wir mit Handcreme eingeschmiert (unser Trennmittel, danke Felix für den Tipp!), dann die Form eingeschmiert, die Mauer mit Folie ein wenig abgedeckt, dann den Gips angerührt.


Leider war die Rezeptur auf der Tüte so angelegt, dass der Gips extrem schnell abband. Unser erster Versuch ist grandios fehlgeschlagen. Wir waren ziemlich frustriert. Zumal das etwas interessantere Stück der Mauer, das „M“-Logo eine viel anspruchsvollere Form auswies.

Also nochmal überlegen: was können wir an der Rezeptur ändern? Wie den Prozess verbessern? Die Aufgabe: 14 l Gips anrühren und schnellstens in die Form bringen. Danach war es vorbei mit der Kontrolle, denn in die Form an der Wand konnten wir nicht hineinsehen, wenn sie einmal dort platziert war.
Auf einer öffentlichen Toilette habe ich neues Wasser geholt. Dann einer neuer Versuch. Diesmal haben wir weniger Gips ins Wasser gemischt, die Eimer schneller in die Form gegossen. Dann standen wir eine halbe Stunde an der Mauer und haben uns im Wechsel gegen die 15 kg-Form gestemmt. Zwischendurch kam ein streng blickender Mann vorbei, zog einen Ausweis an einer Kette aus der Hosentasche, was wir denn hier machen würden! Wir haben erklärt, dass wir Künstler sind und nichts kaputt machen werden. Er hat uns geglaubt und zog vondannen.


Inzwischen lief uns die Zeit davon, denn wir hatten am Abend noch eine Verabredung. Aber wann ist der richtige Moment, die Form abzunehmen? Zum Glück hatten wir ordentlich danebengekleckert, waren noch Reste im Eimer geblieben. An diesen konnten wir abschätzen, ob die Mischung abgebunden haben könnte. Schließlich der Moment der allergrößten Spannung: Abnehmen der Form. Und ja! Es hatte geklappt.


Wir schlugen uns begeistert in die Hände. Unseren Arbeitsplatz hatten wir während es Wartens schon ordentlich saubergemacht. Jetzt alles schnell verpacken, dann einen BOLT-Fahrer bestellt, der glücklicherweise nicht protestierte, als wir unsere Baustellenausrüstung ins Auto luden.
Natürlich standen wir dann im Stau, und der Fahrer verfuhr sich ein wenig. Mit einer halben Stunde Verspätung kamen wir an der Adresse unseres Abendtermins an.
Aber dann hatte ich ein faszinierendes Déjà-vu: der Ort entpuppte sich als das Haus des verstorbenen Künstlerpaars Ada Ribatschuk und Wolodimir Melnitschenko, beide Maler und Bildhauer. Über dieses engagierte Paar hatte ich vor zwei Monaten in Berlin bei einem kleinen Filmfestival einen Dokumentarfilm gesehen. Und plötzlich saß ich in einer Runde an dem riesigen Küchentisch, der im Film immer wieder erscheint.


Aber der eigentliche Anlass dieses Haus zu besuchen, war die exklusive Vorführung eines Dokumentarfilms über Alexander Glyadyelov, einen der bekanntesten Fotografen der Ukraine. Alexander hatte uns eigeladen und die Filmemacherin war anwesend. Was gibt es dazu zu sagen? Diesen Film unbedingt ansehen, wenn er in Deutschland in die Kinos kommt, wofür ich mich unbedingt verwenden möchte!