Tag 11 der Reise, von Prag nach Czesky Brod, 34 km

english text below the pictures

11.09.2022. Heute Morgen bin ich mit gut kurierten Füßen losgelaufen. Zunächst ging es durch einen äußeren Stadtbezirk von Prag, dann dachte ich, nachdem ich ein großes Kraftwerk und verschiedene Industrieanlagen passiert hatte, ich sei schon außerhalb der Stadt. Doch auch nach 18 Kilometern standen auf den Nummernschildern an den Häusern immer noch Hinweise, dass ich mich in Prag 9 befände. Offenbar hat die Stadt erhebliche Eingemeindungen vorgenommen.

Die meiste Zeit lief ich heute parallel zu einer Bahnstrecke, teilweise direkt neben dem Bahndamm. Es war ein gut ausgebauter Weg, Spaziergänger und viele Radfahrer waren unterwegs.

In der Nähe eines Bahnhofes habe ich in einer kleinen Ausflugsgaststätte etwas zu Mittag gegessen. Vor dem Haus standen Bänke und an einer großen Luke war Selbstbedienung angesagt. Bedienung – das waren die Kinder des Chefs. Sie nahmen die Bestellungen entgegen und nannten mir den Preis. Als ich den älteren Jungen fragte, ob er mir den Preis auch auf Englisch nennen könne, brüllte der Vater aus der Küche: „Hier wird Tschechisch gesprochen!“ Ich habe bezahlt und blieb stehen, als der brüllende Vater dann doch noch auf Englisch rief, ich müsse mich ein wenig gedulden, „some minutes“. Etwas später kam die Tochter mit einem Stück Pappe auf denen zwei Scheiben Brot lagen. Den gegrillten Käse, den ich bestellt hatte, hatte der versierte Vater einfach in seiner Verpackung in die Mikrowelle gelegt. Von Grillen keine Spur. Beim Öffnen der Verpackung floss mir dann ein weitgehend geschmolzener alter Ziegenkäse entgegen, den ich aufs Brot tropfen ließ.

Heute war wirklich perfektes Wanderwetter. Der Himmel war weitgehend bedeckt, bei circa 20 Grad wehte eine frische Brise. Um das Laufen neben einer stark befahrenen Straße zu vermeiden, habe ich einen Umweg von cirka 2 Kilometern gemacht. Immerhin bin ich so ein Stück des Weges auf der historischen Landstraße gewandert.

Zu Gast bin ich heute bei Jiri K., dem Bruder von Jan K., der ist ebenso wie sein Bruder ein wirklich herzlicher und freundlicher Mensch. Aer mich an der Haustür empfing, meinte er, er müsse mir eine unangenehme Nachricht überbringen: seine Frau liegt mit Grippesymptomen darnieder, es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich mit Corona infiziert hat. Wir haben dann eine Weile diskutiert, wie wird das am elegantesten hinbekommen. letztlich wurde ich in einer Etage des Hauses isoliert mit Bad und WC im Keller, während Jiris Frau in der oberen Etage verblieb. Jiri hat mir dann das Essen nach unten gebracht und wirklich ganz zauberhaft improvisiert. Denn neben dem Coronaverdacht, galt es noch damit klar zu kommen, dass das Ganze auf einer veritablen Baustelle stattfindet. Er ist gerade voll im Umbauen und Renovieren. Die ukrainischen Handwerker mussten Ende Febraur leider alles stehen und liegen lassen. So legte er Verlänerungskabel und stellte mir einen Verteiler hin, damit ich in meinem Zimmer Licht und Lademöglichkeiten habe, denn aus Sicherheitsgründen war während der Baumaßnahmen der Strom in meiner Etage abgeklemmt. Auch mein Essen brachte er aus der Küche in mein Zimmer.

Nach dem Essen kamen dann die drei älteren seiner fünf Kinder in einen leerstehenden Raum. Die Europakarte wurde auf dem Boden ausgebreitet, eine Lampe wurde an die Decke gehangen, und ich erzählte auf Englisch über Seume und seine und meine Reise. Zwei der Kinder sprachen wirklich gut Englisch, so dass kaum übersetzt werden musste. Zum Dank für so viel Aufmerksamkeit habe ich dann noch drei meiner „Zaubertricks“ vorgeführt, kleine physikalische Experimente. Es war ein lustiger Abend.

Jetzt bin ich innerlich ganz gerührt. Wer hätte mir wohl in Deutschland Quartier gegeben, ohne mich jemals gesehen zu haben, mit fünf Kindern und einer kranken Frau im Haus, welches zur Hälfte Baustelle ist? Es lebe Europa und es lebe die einfache Menschlichkeit!

Und hier der Link zu Komoot für die Tour.

Blick auf den östlichen Stadtrand von Prag
In der Vorstadtsiedlung
Kirmes
Der Weg am Bahndamm
Der Wald am Bahndamm
Ich kann nicht genug bekommen von den Wolken

This morning I started walking with well-cured feet. First I went through an outer district of Prague, then, after passing a large power station and various industrial plants, I thought I was already outside the city. But even after 18 kilometres, the number plates on the houses still showed that I was in Prague 9. Apparently the city has made considerable incorporations.

Most of the time today I ran parallel to a railway line, partly right next to the railway embankment. It was a well-maintained path, walkers and many cyclists were on the way.

Near a railway station I had lunch in a small restaurant. There were benches in front of the building and self-service was available at a large hatch. The waiters were the boss’s children. They took the orders and told me the price. When I asked the older boy if he could tell me the price in English, the father shouted from the kitchen: „Czech is spoken here!“ I paid and stopped when the shouting father shouted in English that I had to be patient, „some minutes“. a little later the daughter came with a piece of cardboard on which there were two slices of bread. The grilled cheese I had ordered had simply been placed in the microwave in its packaging by the savvy father. There was no sign of grilling. When I opened the package, a largely melted old goat cheese then flowed towards me, which I let drip onto the bread.

Today was really perfect hiking weather. The sky was mostly overcast, with a fresh breeze blowing at around 20 degrees. To avoid walking next to a busy road, I took a diversion of about 2 kilometres. At least I walked part of the way on the historic country road.

Today I am a guest of Jiri K., the brother of Jan K., who, like his brother, is a really warm and friendly person. when he welcomed me at the front door, he said he had to give me some unpleasant news. his wife is lying down with flu symptoms, so it can’t be ruled out that she has contracted corona. we then discussed for a while how to manage this most elegantly. in the end, I was isolated on one floor of the house with a bathroom and toilet in the basement, while Jiri’s wife stayed on the upper floor. Jiri then brought my food downstairs and really improvised quite magically. In addition to the suspicion of corona, I had to cope with the fact that the whole thing was taking place on a building site. So he laid cables and set up a distribution board for me so that I could have light and charging possibilities in my room, because for safety reasons the electricity on my floor was disconnected during the construction work. He also brought my food from the kitchen to my room.

After dinner, the three older of his five children came into an empty room. The map of Europe was spread out on the floor, a lamp was hung on the ceiling, and I told them in English about Seume and his and my journey. Two of the children spoke really good English, so there was hardly any need to translate. As a thank you for so much attention, I then performed three of my „magic tricks“, little physics experiments. It was a fun evening.

Now I am quite touched inside. Who would have given me accommodation in Germany without ever having seen me, with five children and a sick wife in a house that is half a building site? Long live Europe and long live pure humanity!