Tag 12 der Reise, Czesky Brod nach Kolin, 32 km

Am Morgen des 12. September stand ich zeitig auf. Jiri brachte mir ein Tablett mit einem üppigen Frühstück auf meine Quarantänestation. Das geschah, obwohl ich am Abend zuvor gesagt hatte, mir würde ein Tee genügen und ich würde mir in der Stadt ein Frühstück besorgen. In der Etage über mir machten sich die Kinder fertig für die Schule. Für Jiris Frau hinterließ ich wenigstens eine Tafel Schokolade zur Besserung aus meinen Vorräten. immerhin es war die richtige Sorte: Lindt 70%.

Czesky Brod ist eine nette Kleinstadt mit viel Jugendstil am Stadtrand und Bauten aus Barock und Renaissance im Zentrum.

Ich folgte einer schmalen Straße heraus aus der Stadt, zwischen einigen Teichen hindurch, und befand mich bald auf endlosen Feldwegen auf einer hügeligen Hochebene. Immer wieder bot sich eine faszinierende Fernsicht.

Die Feldwege waren mal asphaltiert, mal waren sie so mit Büschen zugewachsen, dass ich auf das benachbarte Maisfeld ausweichen musste, welches zum Glück abgeerntet war. Ab und zu durchquerte ich kleine Dörfer. Menschen begegneten mir kaum. Heute war es weitgehend bedeckt und nicht sehr warm, so dass ich mit meinen Wasservorräten gut zurecht kam.

Eine Besonderheit gab es in Dorf Planany: eine große Wassersäule, an der man nach einem Münzeinwurf (ca. 2 Ct), gekühltes Trinkwasser zapfen konnte, und zwar sogar mit Sprudel.  Hinter Planany musste ich allerdings ein Stück stark befahrene Landstraße laufen. Die Tschechen rasen, als gäbe es keinen Ölpreis. Fußgänger und Radfahrer sind in dieser Welt nicht vorgesehen, jedenfalls nicht an den Rändern dieser relativ neuen Straße. Immerhin konnte ich von dort zu einer Tankstelle abbiegen, an der ich mir einige Riegel und einen Hot Dog kaufen konnte. Ca. 500 m musste ich durch das Gras des Ranstreifens stapfen, dann wieder Feldwege und die letzten 4 Kilometer vor Kolin entlang der Bahnstrecke, die hier dich befahren ist. Kolin liegt übrigens an der Elbe, und kurz bevor ich die Stadt erreichte, machte ich einen kleinen Abstecher an den Fluss.

In Kolin habe ich ein schönes Zimmer in einer Pension, gleich beim Markt um die Ecke. Und gegenüber gibt es einen kleinen Supermerkt (natürlich in vietnamesischer Hand) und eine Drogerie.

Jetzt habe ich gegessen bei einem Italiener und widme mich der Kaufhallenbeute: Kalorienbomben und viel Obst.

Während heute meine Arthrosegelenk ausgesprochen kooperationsbereit war, haben die Blasen an den Füßen zugeschlagen. Ständig musste ich zu Desinfektionskram und chirurgischen Maßnahmen greifen. Per heute bin ich bei km 328 angelangt, so jedenfalls die Summe der Strecken auf Komoot. Im Durchschnitt bin ich also an den zehn Wandertagen um die 33 km gelaufen. Eigentlich zu viel. Und der erhoffte Flow, der Zustand, in dem man zwar irgendwann am Nachmittag merkt, dass der Tag hart war, aber nichts irgendwie weh tut, ist leider noch nicht erreicht. Die Kondition ist aber gut. An den kommenden zwei Tagen sind jeweils nur 25 km zu bewältigen. Das lässt hoffen. Am schnellsten ist immer die morgendliche Stunde rum, in der ich meistens um die 6 km schaffe. Dann denkt man: ok die restlichen 25 km wirst du demzufolge in fünf Stunden hinter dir haben, also irgendwann nachmittags am Ziel. Aber die Realität siegt dann doch über den Optimismus. Meistens bin ich um die zehn stunden auf der Straße, weil es Pausen zum Fotografieren und Erholen geben muss. Immer wieder schaut man zweifelnd aufs Handy, ob das denn wirklich noch 10 km sein können bis zum Ziel? Ob es nicht irgendeine Abkürzung geben könnte, eine Ecke, die man über das abgeerntete Feld marschiert, statt im Winkel der Straße zu folgen? Auf den letzten 5 km sage ich mir dann: genauso weit wie dein alter Schulweg, schaffst Du in einer Stunde! Tja …

Möglicherweise habe ich heute wieder einige Seumewege beschritten. Man kann die alten Straßen am Baumbestand erahnen, an mitten in der Landschaft stehenden Chausseehäusern, Wirts- oder Wächterhäusern, wer weiß. Oft erkennt man den Verlauf historischer Straßen aber auch an imposanten Kruzifixen, die an Wegegabelungen oder exponierten Stellen errichtet wurden. Neben einem solchen war auf einer Tafel der Hinweis, dass das Kreuz aus dem Jahr 1750 stammt, die zugehörige Straße aber verschwunden ist. Es ist also davon auszugehen, dass Seume das gleiche gesehen hat wie ich. Auf jeden Fall aber den Markt von Kolin, der wunderbar gut erhalten ist.

Zuletzt vielleicht noch ein Wörtchen zu den Fotografien, die es hier auf dem Blog gibt: die sind nur mit einem Preset bearbeitet. Für eine finale Bearbeitung fehlen mir hier Zeit und ein schnellerer Rechner. Aber es soll ja auch noch Potenzial für eine kleine Überraschung geben. Die finale Bildsprache wir sich farblich an den Aquarellen der Vedutenmaler des 19. Jahrhunderts orientieren. Also keine Sorge, die sind nicht mit dem Handy gemacht.

Und hier ist der Link zu Komoot für die Tour des Tages.

An den Teichen hinter Czesky Brod
Der Weg durch den Wald am Bach
Ein Heiliger am Wegesrand
Alles flach, Blick auf Czesky Brod aus Osten
Die anstregende Straße
Die Kirmes zieht weiter
An der Elbe vor Kolin