Tag 14 der Reise, von Czaslav nach … irgendwo im Nichts, 12 km

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Heute bin ich nicht sehr weit gekommen. Nach 12 Kilometern habe ich aufgegeben. Als ich am Morgen die Pension verließ, dachte ich noch, dass ich vielleicht mit einigen Regenschauern davonkäme. Und tatsächlich lief kaum jemand mit Regenschirm über den Markt. Es ist jedoch in Tschechien möglicherweise ähnlich wie in Polen, wo man eher zögerlich zum Regenschirm greift und sich gleichgülting nasströpfeln lässt. Mich empfing ein unaufhörlich nieselnder Landregen. Noch in der Altstadt von Caslav hielt ich unter den Laubengängen eines alten Hauses an und zog mir Regenjacke und Stulpen zum Schutz der Schuhe an. Meinen kleinen Regenschirm nahm ich in die eine Hand, den Wanderstab in die andere. Rucksack und Kameratasche waren mit Regenhüllen geschützt.

So zog ich denn aus der Stadt und fand mich bald auf einem schmalen Waldweg. Hier drang der Regen nur mäßig durch die Bäume. Auf den Feldern hatte ich das Glück durchgehend asphaltierter Wege.

Während ich vor einigen Tagen noch nach Schatten suchte, um eine Pause zu machen, hielt ich heute angestrengt nach einem Bushäuschen Ausschau. Nach fünf Kilometern die erste Rast. In der überdachten Bushaltestelle von Potehy standen noch drei weitere Leute mit mir, die mich aber keines Wortes würdigten.

Auf jeden Fall wollte ich heute den kürzesten Weg, die stark befahrene Fernstraße, vermeiden. Als ich sie das erste Mal kreuzte, sah ich, dass sie auch hier weder Fuß- noch Radweg hat.

Nach fünf weiteren Kilometern das nächste Dorf. Wieder eine Bushaltestelle. Die Leute, die ich sehe, sind alle beschäftigt. Sie fahren mit Autos herum, pressen mit dem Traktor den Silageberg neben der Straße, Lärmen mit Hämmern und Winkelschleifern hinter halb offenen Haustüren. Hunde kläffen wie immer. Ansonsten ist es still, nur der Regen trommelt leise auf meinen Schirm.

Wenn ich so durch ein Dorf gehe, denke ich: könnte nicht eine schöne Frau aus einer der Haustüren schauen? Mich freundlich lächelnd voller Bedauern hereinwinken auf einen Tee, auf einem weichen Sofa, mir vielleicht die Schultern massieren….? Könnte nicht eine Blondine, die mich mit ihrem Cabrio überholt, stehen bleiben und einladend den Wagenschlag öffnet? Nein, Blondine lieber nicht, und Cabrio auch nicht.

Stattdessen schlurft die Fette in schwarzen Jogginghosen und Hoody mit pinken Plastiklatschen um die Ecke, die Kippe in der Hand schaut sie bedeutungsvoll wichtig an mir vorbei und kreischt in ihr Handy.

So komme ich nach einem ordentlichen Haken wieder an der Fernstraße raus. Noch 100 m zu einer Raststätte bei Okresanec. Die 100 m am Straßenrand reichen, um mir noch mal diverse Duschen aus vorbeirasenden LKW zu verpassen, so dass ich reichlich durchnässt den Gastraum betrete. Knedeli mit Gulasch und versalzenem Spinat, dazu Schlager aus der Ecke und alkoholfreies Bier. Aber immerhin ist alles sauber und ordentlich. Hornalte Popsongs werden hier übrigens, wie in Polen auch, mit tschechischen Texten gecovered. Man hört dann unwillkürlich hin, weil man sich an den englischen Text erinnern will. Moviestar, moviestar, you think you are a moviestarhahahaharrrrr….

Jetzt habe ich ein Bett in einem reichlich öden Zimmer, in dem es noch nach frischer Farbe und gerade ausgepackten IKEA-Möbeln riecht, kein Stuhl, kein Tisch. Also werde ich mal einen Büro- und Füßeerholtag machen, im Bett. Alles zum Trocknen ausgebreitet. Wenn ich morgen den Bürotag wieder rauswandern will, muss ich 36 km schaffen. Vermutlich bei zumindest am Vormittag anhaltendem Regen, obwohl es jetzt draußen aufklart, wahrscheinlich ist das Wasser alle.

Zeit, mal nachzurechnen, wie es um Seumes Marschierleistung steht. Per heute habe ich knapp 350 km hinter mir. Seume schrieb am 9.12.1801 aus Dresden und war am 26.12.1801 in Wien. Leider erwähnt er offenbar nicht alle Übernachtungsorte, auch wird nicht klar, wie lange er z.B. in Dresden und Prag weilte. Auch der Disput in Budin mit einem jüdischen Kaufmann wird wohl ein Zeichen dafür sein, dass er dort übernachtete, also gut 50 km vor Prag, welche er dann an einem einzigen Tag marschierte. Nehmen wir an, er hat bis Dresden drei Tage gebraucht. Dann wären er und seine Freunde in etwa so schnell gewandert wie ich. Von Dresden bis Wien sind es 420 km, aber nur dann, wenn man den kürzesten Weg nimmt, den Seume jedoch nicht nahm, denn er wanderte von Prag zunächst gen Osten. Gehen wir also von mindestens 460 km aus. Zieht man von dem Zeitraum vom 09. bis 26. Dezember wenigstens einen Tag ab, den er in Prag verbrachte, kommt man auf 15 Wandertage. Das wären dann ca. 30 km pro Tag. Bis dahin ein plausibler Wert.

Und hier der Link zu Komoot für die Tour des Tages.

Zerfallender Gutshof in Hostovlice
Gehöft vor Hostovlice

Today I didn’t get very far. After 12 kilometres I gave up. When I left the guesthouse in the morning, I still thought that I might get away with a few rain showers. And indeed, hardly anyone walked across the market with an umbrella. However, it is probably similar in the Czech Republic to Poland, where people are rather hesitant to grab an umbrella and get drenched right away. I was greeted by an incessant drizzling downpour. Still in the old town of Caslav, I stopped under the arcades of an old house and put on my rain jacket and cuffs to protect my shoes. I took my small umbrella in one hand, the walking stick in the other. My backpack and camera bag were protected with rain covers.

So I moved out of the city and soon found myself on a narrow forest path. Here the rain penetrated only moderately through the trees. In the fields I was fortunate to have asphalted roads throughout.

While a few days ago I was still looking for shade to take a break, today I was straining to find a bus shelter. After five kilometres, the first rest stop. There were three other people standing with me in the covered bus stop in Potehy, but they didn’t dignify me with a word.

In any case, I wanted to avoid the shortest route today, the busy trunk road. When I crossed it for the first time, I saw that it has no footpath or cycle path here either.

After five more kilometres, the next village. Another bus stop. The people I see are all busy. They drive around in cars, press the silage pile next to the road with the tractor, make noise with hammers and angle grinders behind half-open house doors. Dogs are yapping as usual. Otherwise it is quiet, only the rain drumming softly on my umbrella.

When I walk through a village like this, I think: couldn’t a beautiful woman look out of one of the front doors? Beckon me in with a friendly smile full of regret for a cup of tea, on a soft sofa, perhaps massage my shoulders….? Couldn’t a blonde overtake me in her convertible, stop and open the car door invitingly? No, blonde better not, and convertible neither.

Instead, the fat one shuffles around the corner in black sweatpants and hoody with pink plastic slippers, cigarette in hand she looks past me meaningfully important and screeches into her mobile phone.

So, after a neat hitch, I come back out on the trunk road. Another 100 m to a rest stop near Okresanec. The 100 m at the roadside are enough to give me several showers from passing trucks, so that I enter the restaurant soaked. Knedeli with goulash and salty spinach, plus pop songs from the corner and non-alcoholic beer. But at least everything is clean and tidy. By the way, old pop songs are covered here with Czech lyrics, just like in Poland. You listen involuntarily because you want to remember the English lyrics. Moviestar, moviestar, you think you are a moviestarhahahaharrrrr….

Now I have a bed in a richly barren room that still smells of fresh paint and just unpacked IKEA furniture, no chair, no table. So I’m going to have an office and feet recovery day, in bed. Everything spread out to dry. If I want to hike the office day out again tomorrow, I’ll have to do 36 km. Probably with rain continuing at least in the morning, although it’s clearing up outside now, probably run out of water.