Tag 36 der Reise, von Lebring nach Sentilj, 27 km

06.10.2022

Bei bestem Herbstwetter und angenehmen Temperaturen bin ich heute gelaufen, so dass mir die reichlichen Straßenkilometer (immerhin immer Fußweg und ein gutes Café am Weg) nichts ausgemacht haben. Hinter Wagna, nach etwa einem Drittel des Weges, folgte ich wieder der Muhr und ging mal neben, mal auf dem Deich. Auch hier wieder diverse Staustufen und radfahrerfreundliche Infrastruktur. In zwei kleinen Buden bin ich eingekehrt.

Ich passierte Ehrenhausen am anderen Ufer der Muhr, Seume hatte dort genächtigt, ganz sportlich von Graz kommend. Immerhin ging ich noch etwa 6 km weiter bis nach Slowenien. Dennoch machte er im Wesentlichen an einem Tag, wofür ich mir zwei nahm. Dafür geht es mir sehr gut, die Blasen sind abgeheilt, die Erkältung auch.

Interessant war die Passage des alten Grenzübergangs bei Spilefeld. Längst wird er von einer Autobahn flankiert. Um so erstaunter war ich, dass der österreichische Zoll weiter fleißig kontrolliert und das ein oder andere Fahrzeug rauswinkt.

Ansonsten ist die Bundesstraße an dieser Stelle zum Teil neu trassiert. Man erkennt aber Reste der alten Straße noch sehr wohl und natürlich die gesamte Infrastruktur eines Grenzübergangs. Zollgebäude, Abfertigungskomplexe mit altem Chick der achtziger Jahre, riesige Abstellflächen, zahllose Tankstellen, Raststätten, duty-free-shops. All das ist nun zum größten Teil verwaist, steht leer oder wird anderweitig genutzt. Aber das Stadium des verlorenen Nutzens ist schon so weit fortgeschritten, dass die ersten Versuche, die billig zu habenden Flächen neu zu verwenden, wiederum gescheitert sind. Friseure, Lagerhäuser, Autowerkstätten sind nicht wirklich erfolgreich geworden. Nur zwei schäbige Bordelle – beide übrigens auf österreichischem Gebiet – konnten sich halten. Und es stehen zwei große Zelte nebst zahlreichen Toiletten, möglichweise geblieben aus dem Jahr 2015, als Österreich in der Flüchtlingswelle seine Grenzen schloss.

Mich erfüllt dieser Anblick mit gemischten Gefühlen. Einerseits Euphorie, weil das vereinte Europa mit dem Schengenraum all diese Strukturen nicht mehr braucht. Andererseits leichte Beklemmung, weil an dieser Stelle all das nach der Gunst der Stunde suchte, was wohl in erster Linie große und billige Flächen braucht. Aber auch Glücksritter und ihre Gewerke, die offenbar angezogen wurden. Natürlich wirkt das alles billig und heruntergekommen. Nachts ist der Eindruck vielleicht noch düsterer, denn die gleißenden Beleuchtungen von Grenzübergängen wird es auch nicht mehr geben, kaum ein Fenster wird erleuchtet sein. Wer hier durchfährt, wird nicht auf großer Reise sein, denn dafür wurde die benachbarte Autobahn gebaut. Selbst die Eisenbahn ist nur einspurig, wenngleich die Regionalbahnen mit modernen elektrischen Triebwagen immerhin die Grenze regelmäßig überqueren. Offensichtlich sind Maribor und Graz so verbunden.

Morgen werde ich bis kurz hinter Maribor gehen, so dass ich erneut auf knapp 30 km komme. Die Details der Tour plane ich nun jeden Abend neu, weil einerseits meine alte Planung nicht mehr aktuell ist, ich auf das jeweils gefundene Quartier zurückgreifen muss, und auch Wetter und Tagesform zu berücksichtigen habe. Komoot ist ansich ein guter Begleiter. Allerdings schlägt die App mir zum Teil absurde Umwege vor, weil es da vielleicht netter ist, weil irgendjemand aus dem Schwarm da mal wandern war, ich weiß es nicht. Daher heißt es: genau hinschauen, ob jeder Winkelzug Sinn macht. Prüfen, ob das Höhenprofil der Tour Sinn macht, oder ob ein Umweg durch flacheres Land eventuell doch der schnellere Weg ist. Schließlich muss ich wegen Wasser und Essen auch darauf achten, ab und zu mal eine Siedlung zu durchqueren. Und es macht Sinn – wenn die Optionen da sind – die Touren nach ruhigen Strecken durch die Natur und durch Siedlungsgebiete aufzuteilen. Oft nehme ich auch unterwegs noch kleine Justierungen vor, was mir heute einige Kilometer erspart hat, auf denen Komoot mich von der Bundesstraße weglotsen wollte. Vielleicht sollte es in der App für die Planung einen Quick-and-dirty-Modus geben für Leute wie mich, die vor allem Strecke machen wollen.

Trotzdem auch heute der Link zu Komoot: https://www.komoot.de/tour/945586699?ref=wtd

Hinter Lebring an der Bundesstraße
In der Ferne Burgen und Schlösser
Hauptsache Privat. Kein Klingelschild und sogar das Wenden ist vor dem Tor verboten. Was sich Reiche so bauen…
Fabrik an der Muhr
Ehrenhausen
Stellflächen an der Grenze
Nix mehr open
Verlassene Tankstelle
Auch der Friseur hat aufgegeben wo früher mal was wichtiges war. Slowenien.

I walked today in the best autumn weather and pleasant temperatures, so I didn’t mind the many kilometres on the road (at least there is always a footpath and a good café along the way). Behind Wagna I followed the Muhr again and walked sometimes next to, sometimes on the dyke. Here, too, there were various traffic jams and cyclist-friendly infrastructure. I stopped for a bite to eat in two small stalls.

I passed Ehrenhausen on the other bank of the Muhr, where Seume had spent the night, quite sportily coming from Graz. After all, I walked about 6 km further to Slovenia. Still, he essentially did in one day what I took two for. But I’m doing very well, the blisters have healed, the cold too.

The passage of the old border crossing at Spilefeld was interesting. It has long since been flanked by a motorway. I was all the more surprised to see that Austrian customs continue to check diligently and wave out one or two vehicles.

Otherwise, the main road has been partly rebuilt at this point. But you can still see remnants of the old road and, of course, the entire infrastructure of a border crossing. Customs buildings, clearance complexes with the old chic of the eighties, huge parking areas, countless petrol stations, service stations, duty-free shops. All of this is now for the most part abandoned, empty or being used for other purposes. But the stage of lost use is already so far advanced that the first attempts to repurpose the cheaply available spaces have again failed. Hairdressers, warehouses, car repair shops have not really become successful. Only two shabby brothels – both on Austrian territory, by the way – have managed to hold on. And there are two large tents and numerous toilets, possibly left over from 2015, when Austria closed its borders in the wave of refugees.

This sight fills me with mixed feelings. On the one hand, euphoria, because a united Europe with the Schengen area no longer needs all these structures. On the other hand, slight trepidation, because at this point all that was looking for the favour of the hour, which probably needs large and cheap spaces first and foremost. But also soldiers of fortune and their trades, which were obviously attracted. Of course, it all looks cheap and run-down. At night, the impression is perhaps even gloomier, because the glaring lights of border crossings will no longer be there either, hardly a window will be illuminated. Those who pass through here will not be on a long journey, for that is what the neighbouring motorway was built for. Even the railway is only single-track, although regional trains with modern electric railcars at least cross the border regularly. Obviously, Maribor and Graz are connected in this way.

Tomorrow I will walk to just beyond Maribor, so that I will once again come to just under 30 km. I plan the details of the tour anew every evening, because on the one hand my old planning is no longer up to date, I have to fall back on the accommodation I have found, and I also have to take into account the weather and the shape of the day. Komoot is a good companion. However, the app sometimes suggests absurd detours because it might be nicer there because someone from the swarm has been hiking there, I don’t know. So you have to look carefully to see if every detour makes sense. Check whether the altitude profile of the tour makes sense, or whether a diversion through flatter country might be the faster way. After all, I also have to make sure to cross a settlement every now and then because of water and food. And it makes sense – if the options are there – to divide the tours into quiet stretches through nature and through settlements. I often make small adjustments along the way, which saved me a few kilometres today when Komoot wanted to steer me away from the main road. Maybe there should be a quick-and-dirty mode in the planning app for people like me who mainly want to cover distance.