Tag 61 der Reise, von Ferrara nach Bologna, 52 km, davon ca. 38 mit dem Bus

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Heute war ein Halbwandertag. Seume ist von Ferrara nach Bologna mit der Kutsche gefahren. Er musste sogar eine Zwischenstation einlegen, und es war insgesamt eine recht strapaziöse Fahrt. Er schreibt:

„Das Wetter war fürchterlich. Ich hatte gelesen von den großen gefährlichen Morästen zwischen Ferrara und Bologna, und die Erzählungen bestätigten es, und sagten weislich noch mehr; so daß ich nicht ungern mit einem Vetturino handelte, der sich mir nach Handwerksweise sehr höflich aufdrang. Der Wagen war gut, die Pferde waren schlecht und der Weg war noch schlechter.“

Schlechtes Wetter habe ich nach wie vor nicht. Fast ist es schon zu warm. Morgens wollte ich zeitig los. Im Nebenzimmer hörte ich meine Gastgeberin husten. Ich stand allein in der Küche, brühte meinen Tee von gestern in der Mikrowelle noch mal auf (kein Problem bei den Sorten, die ich trinke), fand auch keinen Toaster, nahm etwas von dem rumliegenden Süßkram und einen Apfel, dann stahl ich mich davon.

Ich hätte bequem mit dem Zug fahren können, der geht mehrmals die Stunde. Aber dann hätte ich drei hässliche Kilometer neben der Schnellstraße zurücklaufen müssen. Also nahm ich die Straße aus der Stadt raus, die einen Fußweg hatte. Als ich eine Bushaltestelle passierte, stellte ich fest, dass der nach Bologna erst in knapp zwei Stunden wieder fährt. Trampen war an der Stelle sinnlos, noch lief der Berufsverkehr, in dem keiner für einen Tramper hält. Außerdem sah ich auf der Karte, dass es sich um einen Autobahnzubringer in verschiedenste Richtungen handelt. Aber in dem Lärm ewig auf den Bus warten? Das wollte ich auch nicht. Was will ich auch so zeitig in Bologna, die Hotels haben sowieso erst nachmittags den Checkin. Also beschloss ich, weiterzulaufen. So kam ich in kleinere Orte, wo, so dachte ich, die Leute später auch noch irgendwo hinfahren.

Schließlich langte ich an einer Kreuzung an, perfekt zum Trampen, und gleich nebenan war die Bushaltestelle. Aber auch hier war noch eine knappe Stunden zu warten. Also: Fahne gehisst und Daumen raus. Das war ein gutes Training für die Schultern: rechts der winkende Daumen am ausgestreckten Arm, links hielt ich meinen Wanderstab mit dem gelben Schal in die Höhe.

Wenn ich ein Lächeln erntete, war das eher amüsiert bis bedauernd. Gelächelt haben vor allem die Frauen, die wohl heute aus Prinzip nicht mehr halten. Es fuhren viele erstaunlich alte Damen an mir vorüber (die meist nicht lächelten). Bei den Herren ist es so: schickes Auto? Dann kannst du den Daumen gleich unten lassen. Die haben Angst um ihre Ledersitze. Die Zeiten, da man Tramper mitnahm, um sein Auto stolz zu präsentieren, sind vorbei. Die älteren Herren gucken verkniffen geradeaus, vielleicht aus Neid. Einige zeigen böse mit dem Finger auf die benachbarte Bushaltestelle. Herren mittleren Alters deuten immerhin ab und zu an, dass sie nur ein kurzes Stück fahren oder gleich abbiegen. Wie auch immer: die Zeit bis der Bus (mit Verspätung) endlich kam, habe ich nicht untätig verbracht.

Bologna ist ein Schock, wenn man tagelang einsam über die Felder getippelt ist. Gefühlt brandeten mir ungeheure Menschenmassen entgegen. Die Innenstadt besteht aus ewig langen Arkaden. Man läuft immer im Schatten und drängelt sich ab und zu um die unvermeidlichen Tische vor den Restaurants. Alles ist sehr mondän und zugleich doch sehr alt. Gerade bei den Stadttoren muss ich immer an Seume denken. In Bologna hatte ich Schwierigkeiten, ein halbwegs bezahlbares Hotel zu finden. Für den eigentlich morgen geplanten Ruhetag ist mir die Stadt zu teuer.

Aber immerhin hatte ich den Nachmittag für die Stadt. Ich war kurz einen Blick in den Hof der Universität (mit Aufstellern, Schildern und Werbekram schrecklich verstellt), betrat den Dom, hatte ein nettes Gespräch in einer guten Galerie für Fotografie und kaufte schließlich in einem Kletterladen noch Socken und Einlegesohlen.

Jetzt sitze ich zum zweiten Mal in einem Tee-Salon. Hier war ich schon am Mittag. Es gibt eine tolle Auswahl. Als ich diese italienische Ausnahmeerscheinung eifrig lobte, bekam der Kellner glänzende Augen.

Mein IPhone sagt, ich sei heute 26 km gelaufen. Da ist ihm wohl im Bus etwas schlecht geworden.

Und hier die Route auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/968718562?ref=wtd

Werbetafel vor Ferrara
Nebenstraße
Am nördlichen Stadttor von Bologna
Mittagszeit in Bologna
Arkaden
Im Dom
Bemerkenswert ist die sehr spärliche Beleuchtung in den Kirchen hier. Oft sind es nur winzige Lichter. Das führt zu einer sehr schönen Stimmung. Andererseits sieht man nichts von den teils imposanten Gemälden.
Südliches Stadttor an der Straße Richtung Rimini. Seumes Weg.
Mopeds am Mittag
Abends in Bologna
Die Schwestern
Vor dem Tee-Salon

Day 61 of the trip, from Ferrara to Bologna, 42 km, of which about 30 by bus.

Today was a half day of walking. Seume went from Ferrara to Bologna by carriage. He even had to make a stopover and it was altogether quite a punishing journey. He writes:

„The weather was terrible. I had read of the great dangerous morasses between Ferrara and Bologna, and the tales confirmed it, and wisely said still more; so that I did not unwillingly deal with a vetturino, who imposed himself upon me very politely, according to the manner of the trade. The cart was good, the horses were bad and the road was even worse.“

I still don’t have bad weather. It is almost too warm. In the morning I wanted to leave early. In the next room I heard my hostess cough, I stood alone in the kitchen, brewed my tea from yesterday again in the microwave (no problem with the varieties I drink), also found no toaster, took some of the sweet stuff lying around and an apple, then I stole away.

I could have easily taken the train, which leaves several times an hour. But then I would have had to walk back three ugly kilometers next to the expressway. So I took the road out of town that had a sidewalk. When I passed a bus stop, I found out that the one to Bologna doesn’t leave again for almost two hours. Hitchhiking was pointless at that point, rush hour traffic was still going on, where no one would stop for a hitchhiker. Besides, I saw on the map that it was a highway feeder in various directions. But wait forever for the bus in the noise? I didn’t want that either. What do I want also so early in Bologna, the hotels have anyway only in the afternoon the checkin. So I decided to walk on. So I got into smaller towns where, I thought, people would be going somewhere later.

Finally I arrived at an intersection, perfect for hitchhiking, and right next door was the bus stop. But even here there was still a short hour to wait. So: flag hoisted and thumbs out. It was a good workout for the shoulders: on the right, the waving thumb on the outstretched arm; on the left, I held my walking stick with the yellow scarf aloft.

If I earned a smile, it was rather amused to regretful. Smiled especially the women, who probably do not stop today on principle. Many astonishingly old ladies drove past me (who mostly did not smile). With the gentlemen it is like this: fancy car? Then you can leave the thumbs down right away. They are afraid for their leather seats. The times when hitchhikers were taken along to proudly show off their cars are over. The older men look straight ahead, perhaps out of envy. Some point angrily at the neighboring bus stop. Middle-aged gentlemen at least hint now and then that they are only driving a short distance or are about to turn off. Anyway: the time until the bus (with delay) finally arrived, I did not spend idly.

Bologna is a shock after days of lonely traipsing across the fields. Feeling tremendous crowds of people blazed against me. The city center consists of eternally long arcades. One always walks in the shade and occasionally jostles for the inevitable tables in front of the restaurants. Everything is very sophisticated and at the same time very old. Especially the city gates always make me think of Seume. In Bologna I had difficulties to find a halfway affordable hotel. For the actually tomorrow planned rest day the city is too expensive for me.

But at least I had the afternoon for the city. I was briefly a look in the courtyard of the university (with displays, signs and advertising stuff terribly obstructed), entered the cathedral, had a nice conversation in a good gallery for photography and finally bought in a climbing store still socks and insoles.

Now I’m sitting in a tea parlor for the second time. Here I was already at noon. There is a great selection. When I eagerly praised this Italian exception, the waiter got shiny eyes.

My IPhone says I walked 26 km today. He must have gotten a little sick on the bus.