Tag 7 der Reiese, von Keblice nach Chrzin, 33 km

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Nach dem Frühstück fuhr mich Ivan von seinem Studio zu exakt dem Ort, an dem er mich am Abend zuvor abgeholt hatte, an den Rand der Dörfchens Keblice. So musste ich meinen Grundsatz, die Seume-Route am Stück zu wandern, nicht aufgeben.

Heute wurden es bei schwül warmer Luft 27 Grad. Nach einigen Kilometern über wenig befahrene Straßen gelangte ich an den Fluss „Ohri“ (Eger). Ich folgte einem kleinen Pfad am Ufer durch eine fast urwaldartige Landschaft. Der Fluss fließt sehr ruhig und breit in natürlichen Mäandern. Das Ufer ist gesäumt von umgestürzten Bäumen. Der Boden war feucht nach dem gestrigen Regen, aber die Wege nicht glitschig, die Luft voller Insekten. Das ist gewiss ein Vorteil des Wanderns im September: nach einem trockenen Sommer bleiben auch die Wege in der Flussaue gut passierbar.

In Budyne nad Ohri gedachte ich Seume. Er war hier im Wirtshaus, führte aber auch einen philosophischen Disput mit einem jüdischen Kaufmann. Wie er es von diesem Städtchen an einem Tag bis Prag geschafft haben will, ist mir ein Rätsel, denn das sind gut 50 km.

Nach dem Verlassen des Flusstales bestand die Landschaft fast nur aus flachen endlosen Feldern. Sie ist hier so dünn besiedelt wie in Sachsen-Anhalt. Dementsprechend hatte ich Mühe, in den wenigen Dörfern, die ich passierte, Menschen zu finden, die bereit waren, meine Wasserflasche immer wieder aufzufüllen. Hätte ich mich am Morgen beim Bäcker nicht ordentlich mit Vorräten eingedeckt, wäre ich in einige Schwierigkeiten gekommen. Dorfläden gibt es nur selten. Den einen den ich gestern besuchte, fand ich von einem vietnamesischen Händler betrieben. Er hatte eine gute Auswahl an kleinen Packungen mit Nussmischungen, meine Rettung.

Leider gibt es an den Feldwegen keinen Strauch, kaum einen Baum. Die Obstversorgung ist also eher schwach, die mit Schatten auch.

Übrigens hatte ich bisher keinerlei Probleme mit streunenden oder freilaufenden Hunden. Davor hatte mich ein Freund gewarnt und dringend geraten, einen großen Regenschirm oder Knüppel mitzunehmen, daher u.a. auch mein Wanderstab. Jan K. wiederum riet dazu, einen Stein aufzuheben, oder zumindest die entsprechende bückende Bewegung auszuführen, das hätte in den Karpaten stets zur Flucht der Hunde geführt. Nun ja. Gebellt wird viel, aber immer schön hinter den Zaun.

Kurz vor dem Ziel bin ich quasi einem Gewitter davongelaufen. Es gab gigantische Wolken über dem flachen Land, die der Wind glücklicherweise vor mir davontrieb.

Quartier fand ich in einer sehr preiswerten Pension, mit Dusche und WC eine Treppe tiefer über den Hof. Die Chefin warf ein paar Spaghetti mehr in den Topf und ließ mich so – wenn auch an einem anderen Tisch – am Abendessen der Familie teilhaben. Das macht dann noch mal 50 € in den Topf für die Ukraine.

Und hier die Tour auf Komoot.

Keblice
Auf den Feldern bei Doksany
Hopfenplantage bei Doksany
Im Auenwald an der Ohry (der Eger)
Verlassener Dorfladen
Felder bei Hospozinek, Bauern fahren Mist aus
Gewitterfront vor Chrzin

7 September, Day 7 from Keblice to Chrzin, 33 km.

After breakfast Ivan drove me from his studio to exactly the same place where he had picked me up the night before, to the edge of the village of Keblice. So I didn’t have to give up my principle of hiking the Seume route in one piece.

Today it was 27 degrees with sultry air. After a few kilometres on roads with little traffic, I reached the river „Ohri“ (Eger). I followed a small path along the river bank through an almost primeval forest-like landscape. The river flows very calmly and broadly in natural meanders. The bank is lined with fallen trees. The ground was damp after yesterday’s rain, but the paths were not slippery, the air full of insects. This is certainly an advantage of hiking in September: after a dry summer, the paths in the floodplain also remain easily passable.

In Budyne nad Ohri I remembered Seume. He was here in the inn, but also had a philosophical dispute with a Jewish merchant. How he could have made it from this little town to Prague in one day is a mystery to me, because that is a good 50 km.

After leaving the river valley, the landscape consisted almost entirely of flat endless fields. It is as sparsely populated here as in Saxony-Anhalt. Accordingly, I had trouble finding people in the few villages I passed who were willing to keep refilling my water bottle. If I hadn’t stocked up properly at the bakery in the morning, I would have been in some trouble. Village shops are few and far between. The one I visited yesterday I found was run by a Vietnamese trader. He had a good selection of small packs of mixed nuts, my salvation.

Unfortunately, there is no shrub, hardly any tree along the dirt roads. So the fruit supply is rather weak, and so is the shade.

By the way, I haven’t had any problems with stray or free-roaming dogs so far. A friend had warned me about this and strongly advised me to take a large umbrella or club with me, hence my walking stick, among other things. Jan K., on the other hand, advised picking up a stone, or at least making the corresponding bending movement, which would always have led to the dogs fleeing in the Carpathians. Well. There is a lot of barking, but always behind the fence.

Shortly before the finish, I practically ran away from a thunderstorm. There were gigantic clouds over the flat land, which the wind fortunately drove away from me.

I found accommodation in a very inexpensive guesthouse, with a shower and toilet one flight of stairs down in the courtyard. The boss threw a few more spaghetti into the pot and let me share the family’s dinner, albeit at a different table. That adds another €50 to the pot for Ukraine.