Tag 91 der Reise, von Capua nach Caserta, 12 km

30.11.2022 english below

Die Beschreibung von Seume traf es ganz gut (siehe Eintrag von gestern). Tatsächlich traf ich während der Wanderung heute auf ein Amphitheater und zwei antike Denkmale. Alle drei leider in keinem guten Zustand. Aber was will man auch erwarten nach 2.000 Jahren?

In gutem Zustand ist aber auch Capua nicht. Gestern waren die Gassen dunkel und verlassen. Das Restaurant, in dem ich aß, war nicht teuer, das Essen versalzen. Vielleicht lastet auf der Stadt, in der die berühmte Gladiatorenschule Frischfleisch für das Kolosseum lieferte, aber auch ein Fluch.

Auf dem Weg bis Caserta war die Gegend armselig, wild verbaut und außergewöhnlich vermüllt. 12 km sind es auf der Via Appia, und es gibt nur vereinzelt Stellen, an denen keine Häuser stehen. Es reihen sich Matratzenläden, Schrauberbuden, heruntergekommene Etablissements von Handwerkern, Ramschläden, Bauruinen und Billigbars aneinander. Autos rollen ununterbrochen. Es gibt einen durchgehenden Fußweg, der ist eine einzige Berg- und Talbahn. Die Szenerie erinnerte mich an Provinzstädte in Kenya.

Ich verstehe nicht, wie ein altes Kulturvolk so nachlässig mit seiner Landschaft umgehen kann.

Den Abschluss der heutigen Wanderung bildete die Besichtigung von Schloss und Park in Caserta. Seume erwähnt es, verweist aber auf zahllose existierende Beschreibungen, und verzichtet daher auf Details. Es ist eines der größten Barockschlösser Europas. Und groß ist eigentlich die wesentlichste Eigenschaft. Das gilt auch für den Park, der über ausgedehnte Rasenflächen verfügt und vor allem aus einen sehr langen Sichtachse besteht. Skulpturen verlieren sich da ein wenig. Man läuft und läuft … während die Angestellten ungehemmt mit diversen Autor in dem Park herumfahren.

Das Schloss aber lohnt eine Besichtigung. Es gibt bemerkenswerte Deckengemälde, zahlreiche gut ausgestattete Räume. Auffallend war für mich die Erhaltung des Bades und der Toiletten der Herrscher. So etwas ist ja oft nicht mehr zu besichtigen. Es gibt eine imposante Bibliothek. Der vorhandene Bilderschmuck der Räume wurde – was ich als mutig ansehe – mit zeitgenössischer Kunst durchmischt. Eine eigentlich gute Idee. Die Gemälde umfassen vor allem weltliche Themen: Herrscherporträts von Kind bis Hund, Schlachtenszenen, aber auch sehr viele interessante Landschaftsbilder.

Am meisten beeindruckt hat mich jedoch ein Raum, in dem wie in einem Diorama biblische Szenen dargestellt waren. In Glaskästen waren in entsprechender Kulisse zahllose, etwa 30 cm hohe Puppen zu außergewöhnlich lebendig und lebensecht wirkenden Szenen drapiert. Vor allem die Puppen, die auch verschiedenen Kulturkreise der Erde abbilden sollen, faszinierten mich, denn alle hatten individuelle Gesichter, aus Terrakotta geformt, sehr natürliche Gesten und Köperhaltungen, dabei die verschiedensten Alltagsszenen darstellend. Die heilige Familie wirkte da fast schon beiläufig hineingestellt. Auch zahlreiche Gegenstände waren in Miniaturen abgebildet. Kleinen Brunnen und Quellen hatte man mit gläserne Wasserfontänen versehen. Das Ganze wirkte wie ein kleiner Historienfilm. Vielleicht geht das Ganze einher mit der hier sehr verbreiteten Kultur der Weihnachtskrippen, die ebenfalls zu Hauf in den Länden entlang der Straße angeboten wurden.

Mein Quartier ist in einem lausigen Hinterhof, nicht weit entfernt von Schloss und Bahnhof. Draußen bellt nahezu ununterbrochen ein Hund. Es ist innen ganz nett eingerichtet, aber wieder so kalt, dass man es eigentlich nur auf der Empore mit dem Bett aushält, obwohl die Heizung jetzt schon seit mehr als einer Stunde läuft. Immerhin konnte ich mir noch mal einen starken Tee kochen. Die letzten Krümel sind verbraucht. Aber morgen kommt meine liebe Gattin zu mir nach Neapel, und sie bringt guten schwarzen Tee mit. Vier schöne Tage wird sie mit mir verbringen und ich werde etwas weniger im Blog hier schreiben. Am Abend des 4. Dezember steige ich auf die Fähre nach Palermo. Dann bleiben mir noch zehn Tage bis zum Antritt der Heimreise. Wird sicherlich noch mal schön, wird dann aber auch Zeit. Gleichwohl wächst langsam die Freude in mir, dass ich mein Ziel – Syrakus – wohl erreichen werde.

Die Tour auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/987848375?ref=wtd

Blick von der Via Appia nach Capua
Capua today
Capua today
An der Via Appia
Nothing to say
Via Appia
An der Station einer Vorortbahn
Das von Seume erwähnte Amphitheater
Ein altes Grabmal mit angebauter Kapelle. Interessant, wie weit es unter dem heutigen Straßenniveau liegt.
Ein weiteres Grabmal gleich hinterm Penny. Via Appia
typische Läden an der Straße
Leerstand
Treppenhaus im Schloss Caerta
Eines der zahlreichen Deckengemälde
Moderne Kunst neben Barock
Das erwähnte Diorama, kleiner Ausschnitt
Die der Stadt zugewandte Fassade des Schlosses. Unter dem Vorplatz eine Tiefgarage.

Day 91 of the journey, from Capua to Caserta, 12 km

30.11.2022

Seume’s description hit it quite well (see yesterday’s entry). In fact, during the hike today I encountered an amphitheater and two ancient monuments. All three unfortunately not in good condition. But what can you expect after 2,000 years?

But Capua is not in good condition either. Yesterday the streets were dark and deserted. The restaurant where I ate was not expensive, the food was salty. Perhaps there is a curse on the city, where the famous gladiator school supplied fresh meat for the Colosseum.

On the way to Caserta, the area was poor, wildly built up and exceptionally littered. 12 km are on the Via Appia, and there are only isolated places where there are no houses. There are mattress stores, screw stores, run-down establishments of craftsmen, junk stores, building ruins and cheap bars. Cars roll incessantly. There is a continuous footpath, which is a single uphill and downhill track. The scenery reminded me of provincial towns in Kenya.

I don’t understand how an ancient cultural people can be so careless with their landscape.

Today’s hike concluded with a visit to the castle and park in Caserta. Seume mentions it, but refers to countless existing descriptions, and therefore omits details. It is one of the largest baroque castles in Europe. And large is actually the most essential feature. This is also true of the park, which has extensive lawns and consists mainly of a very long visual axis. Sculptures get a little lost there. One walks and walks … while the employees drive around uninhibitedly with various cars in the park.

The castle, however, is worth a visit. There are remarkable ceiling paintings, numerous well-appointed rooms. What struck me was the preservation of the bathrooms and toilets of the rulers. Such things are often no longer to be visited. There is an impressive library. The existing pictorial decoration of the rooms was – what I consider courageous – mixed with contemporary art. A good idea, actually. The paintings cover mainly secular subjects: Portraits of rulers from children to dogs, battle scenes, but also a great many interesting landscapes.

However, I was most impressed by a room in which biblical scenes were depicted like in a diorama. In glass cases, in an appropriate setting, countless dolls, about 30 cm high, were draped to form extraordinarily lively and lifelike scenes. Especially the dolls, which are supposed to represent different cultures of the earth, fascinated me, because all had individual faces, made of terracotta, very natural gestures and body postures, representing the most diverse everyday scenes. The holy family seemed almost casually placed there. Numerous objects were also depicted in miniatures. Small fountains and springs had been provided with glass water fountains. The whole thing looked like a small historical film. Perhaps the whole thing goes hand in hand with the very widespread culture of Christmas cribs, which were also offered in heaps in the lands along the road.

My acommodation in a lousy backyard, not far from the castle and the train station. Outside, a dog barks almost incessantly. It is quite nicely furnished inside, but again so cold that one can actually only stand it on the gallery with the bed, although the heater has been running for more than an hour now. At least I could make myself some strong tea. The last crumbs are used up. But tomorrow my dear wife will come to me in Naples, and she will bring good black tea. Four beautiful days she will spend with me and I will write a little less in the blog here. On the evening of December 4, I get on the ferry to Palermo. Then I still have ten days until the start of the journey home. Will certainly be nice again, but then it’s about time. Nevertheless, the joy is slowly growing in me that I will probably reach my goal – Syracuse.