Das Wunder von San Roque
Zwei Wochen im Nordwesten Spaniens, in Vigo, und ich bin irgendwie bedient: Lärm, Hitze, Abgase, winzige Tiefgaragen, Einbahnstraßen, Beton so weit das Auge reicht. Selbst das Trinkwasser müffelt ein wenig nach Fisch. Und die tägliche Siesta, in der sich einfach alles tot stellt und man die Kernstunden des Tages mit Schlaf (wenn man ein Mittagsschlafender ist), Mahlzeiten, die irgendwas zwischen Mittag und Vesper sind, oder einfach nur Gammelei verbringen muss. Es ist zum Glück eine Gegend ohne nennenswerten Tourismus. Um so heftiger schlägt hier der religiöse Wahn zu, als hätten wir in Europa noch tiefstes Mittelalter.
Gestern war hier der Tag des heiligen Rochus (San Roque). Heilig ist der erst seit 1988. Seine Heldentat: nachdem er im Mittelalter jahrelang in den Wäldern Paraguays die Indios mit Missionierung genervt hat, wurde er vom Häuptling höchstpersönlich mit einem Speer abgemurkst. Seitdem soll er hilfreich sein gegen die Pest. In Spanien jedenfalls wird er von Kranken angebetet und das geht so:
Man kaufe sich eine wächserne Nachbildung des Körperteils, welches nicht mehr richtig funktioniert.
Was für die Manneskraft der Spanier spricht: ich sah an diesem Tag zwar wächserne Busen, aber keinen einzigen Schwanz oder Dildo oder so.
Mit dieser Wachsprothese quält man sich in sengender Hitze einen Hügel hinauf, vorbei an zahlreichen Fressbuden.
Die Belagern die Trostsuchenden geradezu, z.B. mit Kriegsspielzeug, Ein abgekartetes Spiel, denn alle sonstigen Geschäfte in der Stadt haben an diesem Tag geschlossen. Nicht mal ein lumpiger Späti macht auf.
Auf diesem Rochuswalk trifft man Freunde und Bekannte, was ja ganz nett sein kann, wenn man sich denn nicht den ganzen Tag über Krankheiten unterhält. Mein Spanisch ist so dürftig, dass ich jetzt mal unterstelle: es geht um alles Mögliche, aber nicht um Krankheiten in diesen Gesprächen. Denn wirklich gesund werden kann man an diesem Tag gewiss nicht. Überall qualmen die Grills, es gibt Bier, Wein und Schnaps an jeder Ecke. Noch ein paar Jahrhundertchen und Rochus wird der Liebling der Spirituosenindustrie.
Von weitem quäkt dann schon der Lautsprecher in die Böllerschüsse hinein. Jeder Muezin könnte da noch was lernen, zumindest das heulende kollektive Absingen religiöser Verse.
Dann drängelt sich alles in eine Kapelle, bei der zum Glück Eingang und Ausgang separiert sind.
Im Inneren wirft man die Wachsrepliken auf einen großen Haufen hinter ein schnödes Gatter – das wars.
Damit sich nicht nur die Gläubigen quälen, wird auch Rochus mit Täterä durch die sengende Hitze getragen – immerhin unter einem Baldachin.
Die Teilnehmer der Veranstaltung sind so mehr oder weniger zufrieden.
Die Dame hier hat entweder in einer Tobola gewonnen oder sie macht sich mit dem Meßwei aus dem Staub.
Und? Möchte ich zum Schluss mal fragen. Hat es was gebracht?