Tag 103 der Reise, von Scordia über Lentini nach Carlentini, 18 km

Eigentlich bin ich jetzt in einer Verfassung, in der ich alles nur noch hinter mich bringen möchte. Ich freue mich auf Berlin, auf eine vernünftig geheizte Wohnung, auf schnelles WLAN, auf frisches dunkles Brot und guten Käse, auf Stille im schönen Friedenau, auf Döner an jeder Ecke, auf eine Gemüsepfanne, auf einen großen Monitor und eine vernünftige Tastatur, auf meine Schallplatten und vor allem auf viele Menschen, die ich jetzt sehr lange nicht gesehen habe.

Wenn in Italien die Quartiere ohne WLAN angeboten werden, ist meistens auch der Mobilfunkempfang schlecht. Das liegt zum Teil an dem teils schwachen Netz, das zudem stark belastet ist, weil man hier offenbar dauertelefoniert, aber eben nur telefoniert und selten surft. Das liegt möglicherweise an der dichten Bebauung mit dicken Mauern und engen Gassen. Ich kann letzteres nur vermuten, aber es nervt.

Die Strecke heute war unaufgeregt. Es ging über flaches Land mit wiederum zahlreichen Orangenplantagen. Das bedeutet dann auch immer, dass man unterwegs nichts zu Essen kaufen, höchstens einige Orangen pflücken kann. Meine Vorräte sind komplett erschöpft. Ich dachte, sie in Lentini auffüllen zu können, aber ich bin an keinem einzigen Supermarkt vorbeigekommen. Der hier in Carlentini hatte zu. Die verdammte Siesta…

Seume schreibt, dass er auf der Strecke hierher den Lago di Lentini gesehen habe. Das war mir erst vergönnt, als ich auf einer Anhöhe in Carlentini stand, ansonsten war es einfach zu trüb für Blicke in die Ferner oder eben zu flach. Die das Land schneidenden Wasserläufe sind hier hoch eingedeicht, so dass man ohnehin nur von Brücken etwas in die Gegend schauen kann.

Der Vormittag brachte immer wieder leichten Nieselregen, erst gegen Mittag kam Sonne mit schönen Wolkenbildern. Als ich mit meinem orangen Schirm auf der Straße ging, gab es zweimal Autos, die mich mitgenommen hätten. Aber sie fuhren in die falsche Richtung oder nur eine kurze Strecke. Immerhin, sie hielten, trotz des Regens, und ohne dass ich den Daumen gehoben hatte. Vielleicht habe ich solch Glück morgen, an meinem letzten Wandertag nochmal.

Und was schreibt Seume zu meinem heutigen Aufenthalt:

„Ich verirrte mich abermals, und kam, anstatt nach Syrakus, nach Lentini. Es war mir indessen nicht unlieb, die alte Stadt zu sehen, die zur Zeit der Griechen keine unbeträchtliche Rolle spielte. Sie ist in dem Mißkredit der schlechten Luft, weswegen auf einer größern Anhöhe Karl der Fünfte, deucht mir, Carlentini anlegte. Ich spürte nichts von der schlechten Luft; aber freilich kann man vom Ende des März keinen Schluß auf das Ende des Juli machen. Der See gibt der Gegend ein heiteres, lachendes Ansehen, und die Luft würde sich sehr bald sehr gesund machen lassen, wenn man nur fleißiger wäre. Um die Stadt herum ist alles ein wahrer Orangengarten; und Du kannst denken, daß ich mit den schönen Hesperiden nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht hoffen durfte, Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es gefallen in Lentini; und wenn die Leute daselbst krank werden, so sind sie wahrscheinlich selbst Schuld daran, nach allem was ich davon sehe.“

Die Tour auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/993407861?ref=wtd

Straße in Scordia
Regenwolken über Orangenhainen
Auf Sizilien nicht oft zu sehen: eine Baumallee
Es klart auf
Das Rathaus von Lentini
Auf dem Weg nach Carlentini

Day 103 of the trip, from Scordia via Lentini to Carlentini, 18 km.

Actually, I am now in a condition in which I just want to get everything over with. I am looking forward to Berlin, to a reasonably heated apartment, to fast WLAN, to fresh dark bread and good cheese, to silence in beautiful Friedenau, to kebabs on every corner, to a vegetable pan, to a large monitor and a reasonable keyboard, to my records and, above all, to many people I have not seen now for a very long time.

If in Italy the quarters are offered without WLAN, mostly also the mobile phone reception is bad. This is partly due to the partly weak network, which is also heavily loaded, because people here apparently make permanent phone calls, but only phone calls and rarely surf. This is possibly due to the dense development with thick walls and narrow streets. I can only assume the latter, but it’s annoying.

The route today was unexciting. It went over flat land with again numerous orange plantations. This then also always means that you can’t buy anything to eat on the way, at most pick some oranges. My supplies are completely depleted. I thought I could fill them up in Lentini, but I didn’t pass a single supermarket. The one here in Carlentini was closed. That damned siesta…

Seume writes that he saw Lago di Lentini on the way here. I was granted this only when I was standing on a hill in Carlentini, otherwise it was just too dull for views into the distance or just too flat. The watercourses cutting the land are highly diked here, so that one can only look into the area from bridges anyway.

The morning brought again and again light drizzle, only at noon sun with beautiful cloud pictures came. When I walked with my orange umbrella on the street, there were twice cars that would have taken me. But they went in the wrong direction or only a short distance. At least, they stopped, despite the rain, and without my giving a thumbs up. Maybe I’ll have such luck again tomorrow, on my last day of hiking.
And what does Seume write about my stay today:

„I got lost again, and instead of Syracuse, I came to Lentini. It was not unpleasant for me to see the old city, which played a significant role in the time of the Greeks. It is in disrepute for the bad air, which is why Charles the Fifth, I think, built Carlentini on a larger hill. I did not feel anything of the bad air; but of course one cannot make a conclusion from the end of March to the end of July. The lake gives the area a cheerful, laughing appearance, and the air could be made very healthy very soon, if only one were more industrious. Around the city everything is a veritable orange garden; and you can think that I was not entirely abstinent with the beautiful hesperides, since I could not hope to eat Syracusan grapes now. I liked it in Lentini; and if people get sick there, they probably have themselves to blame, after all I see of it.“