Tag 26 der Resie, von Wien nach Tattendorf, 36 km

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26,09.2022. Der Abgang aus Wien war nicht ganz so beeindruckend. Die Kurve der Kaffeehausdichte, des Hipsterfaktors, des sichtbaren Wohlstands fällt steil, wenn man Wien gen Süden verlässt. Irgendwann ist es dann wie Wedding oder Neuköln. Es ist zunächst mal beeindruckend, in welcher Zahl hier Blocks mit Wohnungen durch die Kommune errichtet wurden, in den zwanziger Jahren finanziert durch eine Wohnbausteuer, wie an manchen Giebeln zu lesen ist. Die Bauten sind oft in Blockform als Karree mit Innenhöfen wie kleine Festungen angelegt. Ich muss aber auch an die Hutongs in Peking und Kanton denken, sofern von diesen noch etwas übrig ist. Auch an Kasernen erinnern diese Anlagen zuweilen. Und ich frage mich, wie da wohl die Mischung ist aus Nachbarschaftsheimeligkeit und Kontrolliertheit. Aber schön ist, zu sehen, wie weit hier auch Architekten freie Hand gelassen wurde bei der Gestaltung.

Wien leidet übrigens wie auch Berlin an sehr wenig Bänken im öffentlichen Raum, vor allem entlang der großen Straßen. Das fällt einem auf, wenn man als Nichtortskundiger Pause machen will. Auf dem Land wiederum ist es ähnlich wie in Deutschland (und besser als in Tschechien), es gibt an schönen Stellen oft auch eine Bank, nicht immer von Privatpersonen gestiftet.

Ähnlich ambitionierten (gegenwärtigen) sozialen Wohnungsbau wie in Wien findet man auch in den Vorstädten und Dörfern. Wobei es auch Extreme gibt wie das Hochhaus (!) mitten im Dörfchen Schönau, welches auch einen Schlosspark beherbergt.

Ansonsten ist die Landschaft im Süden von Wien flach, laut, zersiedelt und, nun ja, etwas langweilig. Gewerbegebiete, Dörfliches und viel Eigenheim haben die Landschaft zerbröckeln lassen. Das ganze neben der A2 dennoch zerschnitten von Fernverkehrsstraßen, die auch mal mitten durch die Orte führen. Nach etwa 18 km Wegs stieß ich in Wiener Neudorf auf eine Straßenbahnlinie. Das wäre mein Preis gewesen. Aber ich wollte ja Wien sehen. Trotzdem Glückwunsch zu diesem Schritt. Sie führt bis nach Baden und verbindet die Vororte im Viertelstundentakt direkt mit dem Wiener Zentrum.

Dann gibt es überall Weingüter und „Heurige“ und immerzu Werbung für die einzelnen Güter, Radwege, die nach Rebsorten benannt sind. Ich frag mich, wer hier immerzu trinkt und wie das dann mit dem Fahren der schicken Autos gehandhabt wird. So viele Leute sehe ich auch auf dem Rad nicht.

Eigentlich wollte ich gestern nach gemütlichen 26 km in Traiskirchen absteigen, aber da war kein Quartier zu bekommen. U.a. wieder so eine doofe Pension, die man auf Google findet, und wo einfach niemand ans Telefon geht. Also musste ich noch 10 km draufsatteln bis zu einem etwas merkwürdigen „Schlaffass“, gleich neben dem Dinopark in Tattendorf. Da es schon spät war, blieb leider keine Zeit für ein Abendessen, denn der Sonnenuntergang nahte. Immerhin führte der Weg entlang der Triesting, einem kleinen Flüsschen im Wald. Und tatsächlich kam ich bei völliger Dunkelheit, kurz nach 19 h an meinem Quartier an. Das Schlaffass ist eine miese Bewertung wert. Es ist unverschämte 65 € teuer. Man übernachtet in winzigen Bungalows, die aus Holz sind und halt wie ein Fass aussehen sollen. Die stehen auf einem schlecht beleuchteten Gelände herum, Gemeinschaftsklo, Gemeinschaftsdusche, kein Frühstück, kein Wasserkocher, nichts zu Essen. Für Campingfreunde vielleicht noch akzeptabel. Ohne Taschenlampe oder Reststrom auf dem Smartphone ist man aufgeschmissen.

Die Tour auf Komoot:https://www.komoot.de/tour/937259596?ref=wtd

Tschüss, Wien
Seume war ja ein großer Fan von militärischen Befestigungen. Dieser Schnitt durch Wien hätte ihn gewiss begeistert.
Ein Mann sortiert seine Habe.
Das könnte auch eine Kaserne sein.
Der Hipsterfaktor nähert sich dem Nullpunkt.
Art brut im Gewerbepark.
In Österreich muss es eine Art große Wegehobel geben, die die Vegetation am Wegesrand brutal in From bringen.
Sowas wie Berge hinter der tosenden A2
Durhc dieses Fenster hat man gewiss schon nach Seume gespäht.
Fußgängerfreier Straßenbau. Auch das Fahrrad ist nicht wirklich erwünscht.
Hinter dem Logistikzentrum. Ich durfte es netterweise durchqueren und dadurch den Weg etwas abkürzen.
Fast wäre ich durhc Mödlingen gekommen. Ein Ort mit Klang für mich. Ich mag die Mödlinger Tänze von Beethoven.
Kultur auf dem Land.
Am Rand einer Neubausiedlung.
Die Triesting in der Dämmerung

Day 26, from Vienna to Tattendorf, 36 km

The exit from Vienna was not quite so impressive. The curve of coffee house density, hipster factor, visible affluence falls steeply as you leave Vienna towards the south. At some point it becomes like Wedding or Neuköln. It is first of all impressive how many blocks of flats were built here by the municipality, financed in the 1920s by a housing tax, as can be read on some gables. The buildings are often laid out in block form as squares with inner courtyards like small fortresses. But I also have to think of the hutongs in Beijing and Canton, if there is anything left of them. Sometimes these complexes also remind me of barracks. And I wonder what the mixture of neighbourliness and control is like. But it’s nice to see how much architects have been given free rein in the design.

Vienna, like Berlin, suffers from very few benches in public spaces, especially along the major streets. You notice this when you want to take a break as someone who doesn’t know the place. In the countryside, on the other hand, it is similar to Germany (and better than in the Czech Republic), there is often a bench in nice places, not always donated by private individuals.

Similarly ambitious (current) social housing construction as in Vienna can also be found in the suburbs and villages. There are also extremes, such as the high-rise building (!) in the middle of the village of Schönau, which also has a castle park.

Otherwise, the landscape in the south of Vienna is flat, noisy, overdeveloped and, well, a bit boring. Industrial estates, villages and a lot of owner-occupied housing have crumbled the landscape. The whole thing, next to the A2, is nevertheless cut up by long-distance roads that sometimes run through the middle of the villages. After about 18 km of walking, I came across a tram line in Wiener Neudorf. That would have been my prize. But I wanted to see Vienna. Nevertheless, congratulations on this step. It goes all the way to Baden and connects the suburbs directly with the centre of Vienna every quarter of an hour.

Then there are wineries and „Heurige“ everywhere and constant advertising for the individual estates, cycle paths named after grape varieties. I wonder who is always drinking here and how this is then handled with driving the fancy cars. I don’t see that many people on bikes either.

Actually, I wanted to get off in Traiskirchen yesterday after a leisurely 26 km, but there was no accommodation to be found. Among other things, it was another stupid guesthouse that you find on Google and where nobody answers the phone. So I had to saddle up another 10 km to a somewhat strange „sleeping barrel“, right next to the Dinopark in Tattendorf. As it was already late, there was unfortunately no time for dinner, because the sunset was approaching. At least the path led along the Triesting, a small river in the forest. And indeed, I arrived at my accommodation in complete darkness, shortly after 7 pm.

The sleeping barrel is worth a lousy rating. It costs an outrageous 65 €. You stay in tiny wooden bungalows that are supposed to look like a barrel. They stand around in a poorly lit area, shared toilet, shared shower, no breakfast, no kettle, nothing to eat. Maybe still acceptable for camping enthusiasts. Without a torch or residual power on your smartphone, you’re screwed.