Tag 86 der Reise, von Itri nach Formia, 12 km

25.11.2022 english below

Auch heute wieder eine kurze Strecke zu Schonung des Fußes. Fuß erholt sich, wird gut. Ich habe aber auch Zeit gewonnen, so dass ich mir kurze Etappen leisten kann. Seume verschafft mir weitere Freiräume, weil er ab hier relativ viel mit dem Maulesel und der Kutsche getrampt ist. Man sagt ja immer, er sei die Strecke weitgehend gelaufen. Es kommen aber bei genauer Betrachtung mehr als 20 % der Strecke des Hinwegs nach Syrakus zusammen, auf denen er gefahren oder geritten ist. Das tut seiner Leistung keinen Abbruch, ich weiß, wovon er schrieb und ich jetzt reden darf. Der Selbstversuch hat sich auf jeden Fall schon gelohnt.

Morgen werde ich bis hinter eine Brücke über den Carigliano parallel zur Küste laufen. Von da ist Seume mit dem Maulesel bis nach Sessa geritten, ungefähr 15 km. Ich werde den Bus nehmen oder trampen. Von Capua nach Neapel ist er mit der Kutsche gefahren und auch davor ist er von einem nicht bezeichneten Ort der Einladung eines Viturio gefolgt.

„Ich setzte unter diesen Gedanken über den Garigliano (das ist ca. 15 km hinter Formia – ep), und merkte kaum, daß ich diesseits von einer Menge Mauleseltreiber umgeben war, die mir alle sich und ihre Tiere zum Dienst anboten. Da half kein Demonstrieren, sie machten die Kleinigkeit der Forderung noch kleiner und setzten mich halb mit Gewalt auf ein lastbares Stück, schnallten meinen Reisesack in Ordnung, und so zog ich mit der lieblichen Karawane weiter. … Kurz vor Sessa schieden wir: ich setzte mich von dem Esel wieder auf meine Füße.“

Von Sessa ist Seume mit einem Begleiter weiter unterwegs, den er mit „Kalabrese“ bezeichnet. Diese rhat eine panische Angst vor den in der Gegen angeblich anzutreffenden Räubern. Seume ist etwas genervt und schreibt:

„Er trieb mich immer vorwärts, mich nur durch die berüchtigte Felsenpassage zu bringen; und dankte allen Heiligen inbrünstiglich, als wir aus der Gegend heraus waren. Er segnete meinen Entschluß; als ich mich auf der Straße von einem Vetturino bereden ließ, mich einzusetzen und mich mit ihm bis nach Kapua bringen zu lassen.“

Leider ist nicht überliefert, welche Felsenpassage gemeint ist. Wie auch immer: ich habe einen kleinen Planvorsprung, und werde diesen für kürzere Etappen nutzen.

Aber zurück zu heutigen Etappe. Itri ist eine weitere recht unaufgeregte Stadt. Gestern Abend war ich noch in einer Bar, was hier in Italien ein weit gefasster Begriff ist. Ich fragte, ob ich etwas mit Gemüse zu essen bekommen könnte. Große Ratlosigkeit bei den beiden Inhabern, zwei jungen Männern. Schließlich schlug man mir vor, mir eine Art gefüllte Pizza zu machen mit Käse und getrockneten Tomaten. Dazu gab es Craftbeer aus der Region. Die Jungs erklärten dann ausführlich, dass alle Zutaten meines Essens lokal erzeugt seien und referierten zu jeder Zutat den Hersteller. Etwas ähnliches passierte mir dann heute noch mal beim Frühstück. Da gab es von der Chefin gebackenen Kuchen und der Juniorchef klärte mich ebenfalls über die Herstellung des Käses auf, den er servierte, dass der Saft von regionalen Plantagen stammt usw.

Seume schreibt zu meiner letzten Station:

„Itri war von den Franzosen häßlich mitgenommen worden. Man hatte die Kirchen verwüstet und Pferdeställe daraus gemacht. Das ist nun freilich nicht sehr human; von Religiösität nichts zu sagen. Der Ort liegt in einer Bergschlucht tief begraben.“

Hinter Itri geht es ein wenig auf der Via Appia, die hier Regionalstraße ist, dann kann man diese nach rechts auf eine Nebenstraße verlassen, die angenehm durch Gärten und Olivenplantagen führt. Wieder eine Gelegenheit, den Obstbedarf unterwegs zu decken.

Auf halber Strecke wird man dann aber erneut für einige Kilometer von der Via Appia genervt. Hinter einem imposanten Eisenbahnviadukt, das ich aus der Ferne für ein Äquadukt hielt, geht es zwischen Zementwerken hindurch wieder auf kleine Straßen, bis man auf die Küste stößt. Seume wird auch hier die Via Appia gegangen sein, die heute Fernstraße ist, was mir einen Umweg bescherte. Insgesamt komme ich zu der Erkenntnis, dass ich womöglich mehr Kilometer gegangen bin, als Seume, weil dieser einfach immer die kürzeste Strecken nehmen konnte, wie eben z.B. die Via Appia, die heute an vielen Passagen schlicht nicht mehr zu benutzen sind als Fußgänger.

Formia, das zur Gemeinde Gaeta gehört, diese Bezeichnung nutzt Seume häufiger, ist eine typische Urlauberstadt. Die Strände sind abgesperrt, mit Buden zugebaut und auch hier von heftiger Erosion betroffen. Mit Baggern hat man Sandwälle errichtet, die wohl wenig nützen werden, wenn der nächste Sturm kommt. Aber immerhin gibt es nicht so eine Masse an Betonburgen, wie ich sie bei Rimini fand. Alles ist etwas kleinteiliger. Leider besteht die Stadt aus zwei stark frequentierten Durchgangsstraßen, an deren einer ich mein Quartier habe.

Die Strecke audf Komoot: https://www.komoot.de/tour/985019590?ref=wtd

Itri, im Hintergrund die Burg
Kunst am Bau
Abseits der Via Appia
Blick Richtung Itri
In den Olivenhainen
Der Viadukt bei Formia
Blick nach Gaeta mit der Festung, Am Strand versuchen Bagger Sanddämme aufzuschütten
Buden an der Strandprommenade
In der Innenstadt von Formia

Day 86 of the trip, from Itri to Formia, 12 km.

Again today a short distance to spare the foot. Foot recovers, becomes good. But I have also gained time, so that I can afford short stages. Seume gives me more freedom, because from here on he hitchhiked relatively much with the mule and the carriage. One always says, he walked the distance to a large extent. However, on closer inspection, more than 20% of the outward route to Syracuse is covered by driving or riding. This does not detract from his performance, I know what he wrote about and I may talk now. In any case, the self-experiment has already paid off.

Tomorrow I will walk until behind a bridge over the Carigliano parallel to the coast. From there Seume rode with the mule to Sessa, about 15 km. I will take the bus or hitchhike. From Capua to Naples he went by carriage and also before that he followed the invitation of a viturio from an undesignated place.

„I put under these thoughts over the Garigliano (that is about 15 km behind Formia – ep), and hardly noticed that on this side I was surrounded by a crowd of muleteers, who all offered me themselves and their animals for service. There no demonstrating helped, they made the trifle of the demand even smaller and put me half by force on a loadable piece, strapped my travel bag in order, and so I moved on with the lovely caravan. … Shortly before Sessa we parted: I sat down again on my feet from the donkey.“
From Sessa, Seume continues on his way with a companion whom he refers to as „Calabrese.“ This rhat a panic fear of the robbers supposedly encountered in the counter. Seume is somewhat annoyed and writes:

„He always urged me on, only to get me through the notorious rocky passage; and thanked all the saints fervently when we were out of the region. He blessed my resolve; when on the road I let a vetturino talk me into putting in and letting him take me as far as Kapua.“

Unfortunately, it is not handed down which rock passage is meant. Anyway, I have a little head start on the plan, and will use it for shorter stages.

But back to today’s stage. Itri is another rather unexciting town. Last night I went to a bar, which is a broad term here in Italy. I asked if I could get something to eat with vegetables. Great perplexity on the part of the two proprietors, two young men. Finally, they suggested I make myself some kind of stuffed pizza with cheese and sun-dried tomatoes. This was accompanied by craft beer from the region. The guys then explained in detail that all the ingredients in my meal were locally produced and lectured the producer for each ingredient. Something similar happened to me again today at breakfast. There was cake baked by the boss and the junior boss also explained to me how the cheese he served was made, that the juice came from regional plantations, and so on.

Seume writes about my last stop:

„Itri had been ugly taken by the French. They had devastated the churches and made horse stables out of them. This is of course not very humane; nothing to be said of religiousness. The place is buried deep in a mountain gorge.“

After Itri, the road continues for a bit on the Via Appia, which is a regional road here, then you can leave it to the right on a side road that leads pleasantly through gardens and olive plantations. Again an opportunity to cover the fruit needs on the way.

Halfway along the road, however, you are again annoyed by the Via Appia for a few kilometers. Behind an imposing railroad viaduct, which from a distance I thought was an equaduct, the route continues between cement plants again on small roads until you reach the coast. Seume will also have walked here the Via Appia, which today is a trunk road, which gave me a detour. All in all, I come to the conclusion that I may have walked more kilometers than Seume, because he was always able to take the shortest routes, such as the Via Appia, which today in many places simply cannot be used as a pedestrian.

Formia, which belongs to the municipality of Gaeta, a name Seume uses more often, is a typical tourist town. The beaches are closed off, covered with stalls, and here, too, they are affected by severe erosion. Sand walls have been built with excavators, which will probably be of little use when the next storm comes. But at least there is not such a mass of concrete castles as I found at Rimini. Everything is a bit more small-scale. Unfortunately, the city consists of two busy thoroughfares, on one of which I have my quarters.