Tag 90 der Reise, von Francolise nach Capua, 20 km

29.11.2022

Von dem Quartier, ein Agriturismo-Objekt, kommt man leider nicht weg, ohne die relativ stark befahrene Regionalstraße vor dem Haus zu benutzen. Aber die Strecke auf dieser Straße war relativ kurz. Dann ging es über Nebenstraßen und mehr oder weniger asphaltierte Feldwege durch Obstplantagen, Gewächshausreihen und Felder weiter.

Heute hat die Sonne geschienen, aber es pfiff ein kalter Wind. Attraktionen gab es keine weiter an der Strecke. Auffällig nur viele leer stehende Gehöfte. Dort kann man sich immerhin nach Belieben an den Orangenbäumen bedienen. Kaum hatte ich mir die Tasche vorgestopft, passierte ich eine Apfelplantage, wo für mich Merkwürdiges geschah: wie Beete hatte man unter großen, mannshoch aufgespannten Netzen Streifen von Katzenstreu aufgeschüttet, darüber war Folie ausgebreitet und auf dieser lagen säuberlich nebeneinander zahllose Äpfel. Arbeiter, die Mehrzahl mit dunkler Hautfarbe, waren damit beschäftigt, die Äpfel zu sortieren, ich vermute, faule auszusondern. Eigentlich ist es ja irgendwie logisch, Äpfel dort zu lagern, wo sie hinfallen, wenn sie reif sind. Verstanden habe ich es trotzdem nicht. Als ich laut grüßte, kam einer der (hellhäutigen) Arbeiter auf mich zugelaufen, und fragte, ob ich einen Apfel haben will. Ja, einen bitte, antwortete ich erfreut. Da lief er schon suchend über die lagernden Äpfel und brachte zwei große Hände voll. Ich rief „Bitte nur einen!“, aber er ließ sich nicht beirren und schob sie unter dem Netz hindurch. Ich jonglierte die Äpfel in Hosentaschen, Jackentaschen, Kameratasche… und bedankte mich herzlich.

Ab und zu kreuzte ich heute die Hochgeschwindigkeitsstrecke für die Eisenbahn. Von einer der Brücken hatte ich eine gute Aussicht ins Land. Kurz vor Capua musste ich jedoch nicht nur wieder ein Stück Straße laufen. Ich musste, von einem Feldweg kommend, auch eine Unterführung unter der Bahn nehmen. Die stand leider komplett unter Wasser, so dass ich die Wattauglichkeit meiner Wanderschuhe testen musste. Also, 10 cm haben sie verkraftet. Heute im Quartier wollte ich sie ohnehin mal etwas von Schlamm der vergangenen Tage befreien, was nur mit Wasser geht. Jetzt stehen sie unter dem Gebläse der Heizung.

Seume ist bis Capua mit der Kutsche gefahren, von wo auch immer. Ich bin heute zum zweiten Mal eine Strecke gelaufen, die Seume geritten bzw. gefahren ist. Damit habe ich das große Stück Via Appia vor Terracine fast wieder ausgeglichen, das Seume gelaufen ist, während ich den Bus nahm.

Capua hat für mich einen besonderen Klang, denn hier nahm im Jahre 74 der Spartakusaufstand in der Gladiatorenschule seinen Anfang. Von dieser Zeit ist leider nichts mehr zu sehen. Aber vielleicht habe ich ja morgen auf dem Weg nach Caserta Glück, denn Seume schreibt:

„Wo ehmals Kapua war, steht jetzt, glaube ich, der Flecken Sankt Martin, ungefähr eine Stunde von der neuen Stadt, die unten am Vulturnus in einer bessern militärischen Position angelegt ist. Sankt Martin ist noch jetzt eine Lustpartie für die Bürger der neuen Stadt, so sehr behauptet der alte Platz seinen Kredit. Es steht bekanntlich noch der Rest eines alten Amphitheaters, das aus den Zeiten der Römer und also verhältnismäßig neu ist, welches die Antiquare hinlänglich kennen, auf die ich Dich verweise. Ich ging durch die Trümmern eines Tors, welches vermutlich das nämliche ist, durch das Hannibal seinen Ruhm hinein und nicht wieder heraus trug, ließ nach kurzer Beschauung das Theater links liegen und pilgerte den Weg nach Kaserta fort. Es stehen dort an der Straße links und rechts nicht weit voneinander ein Paar Monumente, die vermutlich römische Begräbnisse sind, und von denen eines wenigstens in sehr gutem Stil gearbeitet zu sein scheint.“