Tag 99 der Reise, von Falconara Castel nach Gela, 23 km

08.12.2022, english below

Komoot wollte mich heute über die böse Bundesstraße leiten. Aber nach einigen Kilometern bin ich, tapfer das Umwegrisiko in Kauf nehmend, nach rechts an den Strand abgebogen. Diese kurze Strecke auf der Bundesstraße führte mich an Bunkern vorbei, die wie Pilze aus den Feldern ragten, und im zweiten Weltkrieg (vergeblich) die Amerikaner an einer Landung hindern sollten.

Am Abend zuvor hatte ich mittels Google-Maps nachgesehen, ob der Weg am Strand passierbar ist. Ich wusste, dass nach einigen Kilometern ein Felsvorsprung ins Wasser ragt, an dem man gewiss nicht vorbeikommt. Aber bis dahin wollte ich es probieren. Und ich hatte zweimal Glück: ja, man kann am Strand langgehen und so ein großes Stück auf der Bundesstraße abschneiden. Aber man kann den Weg nur bei Ebbe nehmen, weil die Küste hier aus einer kaum unterbrochenen steilen Böschung besteht. Und ich hatte Glück, denn es war gerade Ebbe. So konnte ich auch die Einmündung von zwei kleinen Flüssen passieren, die einfach so im Strand versickerten, bequem passieren, ohne landeinwärts zu den Brücken zu gehen.

Es war so herrlich warme Sonne, das Meer lag ganz still, und ich habe mich dann doch zu einem Bad entschlossen. Der Verlockung, im tiefsten Herzen des Katholizismus FKK zu machen, konnte ich nicht widerstehen.

Nach etwa drei Kilometern am Strand sah ich den Felsvorsprung vor mir und bin an einer kleinen Badebucht durch die Dünen wieder zur Straße, die hier aber eine Nebenstraße ist.

Auf dem Hochufer ging es an mehr oder weniger schöne Datschen, Villengrundstücken und einfachen Wohnhäusern vorbei. Beim Torre de Manfrio, einem mittelalterlichen Wachturm, war doch allen Ernstes ein Wanderweg ausgeschildert, der erste, den ich auf Sizilien fand. Am Schild ein Aufkleber, dass dieser auf Initiative von Cinque Stelle angelegt wurde. Da ich wieder auf der Bundesstraße war, folgte ich dem Wegweiser und bog ab. Aber wie bei dieser politischen Partei auch, war nach wenigen hundert Metern Schluss mit Markierungen, so dass ich zähneknirschend zurück zur Bundesstraße ging.

Einige Kilometer vor Gela hate man tolle Ausblicke von den Hügeln, über die der Weg führt. Dann gelangt man in einen Vorort, der so gar nicht typisch italienisch ist: breite Straßen, Fußwege, Neubaublöcke und viele, viele Bäume. Bäume!

Gela wurde vor ca. 2.500 Jahren von den Griechen gegründet, danach mehrfach zerstört und schließlich verlassen. Im Jahr 1233 wurde die Stadt von Kaiser Friedrich II. unter dem Namen Terranova di Sicilia neu gegründet. Sie behielt diesen Namen bis 1928, als sie wieder ihren ursprünglichen Namen erhielt.

Seume schreibt über den Weg hierher:

„Überall warnte man mich vor bösen Wegen und vorzüglich hier in Alikata (er meint Licata, wo ich gestern hindurchkam – ep), wo man sagte, daß die achtzehn Millien von hier nach Terra Nuova die schlimmsten in der ganzen Insel wären. Sono cattive gente, hieß es; und cattive war der ewige Euphemismus, wenn sie zur Ehre ihres Landes nicht Räuber und Banditen sagen wollten. Hier hat mich wahrscheinlich nur meine armselige Figur gerettet. Ich wandelte gutes Mutes am Strande hin, las Muscheln und murmelte ein Liedchen von Anakreon, machte mit meinen Gedanken tausend Circumherumschweife und blieb bei der schönen Idee stehen, daß ich hier nun vermutlich in die geloischen Felder käme: da sah ich von weitem drei Reiter und zwar zu Pferde auf mich zu trottieren. Die Erscheinung eines Maulesels oder Esels ist mir in Sizilien immer lieber als eines Pferdes.“

Wie diese Geschichte weiterging, am besten bei Seume lesen. Nur so viel: es rettete ihn sein ärmliches Äußeres.

Gela war einmal recht wohlhabend, weil es in der Umgebung Erdöl gab und mehrere Raffinerien gegründet wurden. Vom Strand sah ich heute in der Ferne eine Bohrinsel.

Bundesstraße nach Gela
Das Plastikmeer
Bunker auf den Dünen
Der Weg am Strand
Entlang der ganzen Küste: Datschen, Ferienhäser, Villen. Alles zugebaut.
Ein vom Art Deco geprägtes Haus
Der Torre de Manfrio
Neubausünden am Rande des Naturschutzgebietes
Blick auf die Ebene westlich von Gela
Ein großes verfallenes Anwesen auf einer Höhe vor Gela
Blick auf Gela
Straße in Gela
In dieser Straße war heute bestimmt Waschtag

Day 99 of the trip, from Falconara Castel to Gela, 23 km.

Komoot wanted to guide me today via the evil main road. But after a few kilometers, bravely accepting the detour risk, I turned right onto the beach. This short stretch on the federal highway led me past bunkers, which rose like mushrooms from the fields, and in the Second World War (in vain) to prevent the Americans from landing.
The night before, I had used Google maps to see if the road along the beach was passable. I knew that after a few kilometers a rocky outcrop protrudes into the water, which certainly cannot be passed. But until then I wanted to try it. And I was lucky twice: yes, you can walk along the beach and thus cut off a big piece on the main road. But you can take the path only at low tide, because the coast here consists of a hardly interrupted steep embankment. And I was lucky, because it was just low tide. So I could also comfortably pass the confluence of two small rivers, which just so seeped into the beach, without going inland to the bridges.

It was so wonderfully warm sun, the sea lay quite still, and I decided to take a bath after all. I could not resist the temptation to go nudist in the deepest heart of Catholicism.

After about three kilometers on the beach, I saw the rocky outcrop in front of me and at a small bathing bay, I went through the dunes back to the road, but here it is a side road.

On the high bank it went past more or less beautiful dachas, villa properties and simple apartment buildings. At the Torre de Manfrio, a medieval watchtower, a hiking trail was signposted in all seriousness, the first one I found in Sicily. On the sign a sticker that this was created on the initiative of Cinque Stelle. Since I was back on the main road, I followed the sign and turned off. But as with this political party also, after a few hundred meters was the end of markings, so I grudgingly went back to the main road.

A few kilometers before Gela, you had great views from the hills over which the trail passes. Then you get to a suburb that is not at all typically Italian: wide streets, sidewalks, new construction blocks and many, many trees. Trees!

Gela was founded by the Greeks about 2,500 years ago, then destroyed several times and finally abandoned. In 1233, the city was re-founded by Emperor Frederick II under the name Terranova di Sicilia. It kept this name until 1928, when it regained its original name.

Seume writes about the way here:

„Everywhere I was warned against bad roads and especially here in Alikata (he means Licata, where I passed through yesterday – ep), where they said that the eighteen mills from here to Terra Nuova were the worst in the whole island. Sono cattive gente, they said; and cattive was the eternal euphemism when they did not want to say robbers and bandits to the honor of their country. Here, probably, only my pathetic figure saved me. I was walking along the beach in good spirits, reading shells and murmuring a little song by Anacreon, making a thousand circumambulations with my thoughts and stopping at the beautiful idea that I was now probably entering the Gelian fields: then I saw three horsemen trotting towards me on horseback from afar. The appearance of a mule or donkey is always preferable to me in Sicily than a horse.“

How this story continued, best read at Seume. Only this much: it saved him his poor appearance.

Gela was once quite prosperous because there was oil in the area and several refineries were established. From the beach today I saw an oil rig in the distance.